Inhaltsverzeichnis
Tunesien
Anis
Amri war das jüngste der neun Kinder von Mustafa Amri und Nour Amri (Nour
al-Huda Hassani). Die Familie zog kurz nach seiner Geburt nach Oueslatia um. In der rund 9000 Einwohner
zählenden Ortschaft, die als Hochburg des Salafismus galt, wuchs Amri mit seinen
fünf Schwestern und drei Brüdern in großer Armut auf. Die Mutter arbeitete als
Haushaltshilfe, der Vater, ursprünglich Landarbeiter und nach einem Unfall
körperbehindert, belieferte Gemüsegeschäfte mit einem Eselskarren. Die Ehe der
Eltern ging in die Brüche, seitdem lebten sie getrennt.
Nach
eigenen Angaben waren seine Familie und auch er selbst nicht besonders
religiös. „Für ihn war es egal, ob seine Schwestern Kopftuch tragen oder nicht,
ob wir beten oder nicht“, sagte Amris Schwester Najwa über ihren Bruder. Über
Religion habe sie mit ihm nie gesprochen. „Anis war nie religiös. Er hat
getrunken, er hat gefeiert, er hat Popmusik gehört. Er war ein ganz normaler
Junge.“[5][6][7][8][9]
Mit
15 Jahren brach Amri die Schule ab, ging Gelegenheitsarbeiten nach, rutschte in
die Kriminalität ab und beging mehrere Diebstähle und Drogendelikte. 2010 stahl
er einen Lastwagen. 2011 setzte er sich mit Hilfe von Schleppern und mit
finanzieller Unterstützung seiner Familie nach Italien ab, wo er Asyl beantragte.
Ein Gericht in Kairouan verurteilte
ihn in Abwesenheit zu fünf Jahren Haft wegen Raubes.[1][10][5][11][12]
Italien
Dem
italienischen Justizministerium zufolge kam Amri während des Arabischen Frühlings im
Jahr 2011 wie Zehntausende junger Tunesier per Boot nach Lampedusa. Am 5. April 2011 wurde seine
illegale Einreise in die EU von der Polizei registriert.[13][14] Ende März 2011 erlaubte der
damalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi 6000 dort campierenden
Flüchtlingen, nach Sizilienoder aufs
italienische Festland zu kommen.[15]
Amri
gab fälschlich 1994 als sein Geburtsjahr an, so galt er als minderjähriger
unbegleiteter Flüchtling. Er kam zunächst in die katholische Stiftung Instituto
Giovanna Romeo Sava in Belpasso, wo er eine öffentliche Schule
besuchte. Dort terrorisierte er laut La Stampa seine Mitschüler und war
gewalttätig. Amri und vier weitere tunesische Flüchtlinge protestierten gegen
angeblich schlechtes Essen, zu geringe Zuteilung von Zigaretten, Alkohol und
Telefonkarten und die lange Dauer des Asylverfahrens. Am 22. Oktober 2011 legten
die fünf in Räumen des Heims Feuer und verprügelten einen Erzieher. Es entstand
ein Sachschaden von etwa 30.000 Euro. Der damals 19-jährige Amri wurde wegen
Körperverletzung und Brandstiftung zu vier Jahren Haft verurteilt und in Catania inhaftiert.[16][17][18][19][20][21][22][5] Weil er andere Häftlinge
bedrohte, schikanierte, sich mit ihnen prügelte, Wärter angriff und seine Zelle
verwüstete, verlegte man ihn immer wieder in andere Gefängnisse. Im September
2014 brachte man ihn nach Palermo, zunächst ins Pagliarelli-Gefängnis, im
Januar 2015 dann ins Ucciardone-Gefängnis,
die letzte Station vor seiner Entlassung am 18. Mai 2015.[23][24][25][26][27] Die Strafvollzugsbehörde im
Justizministerium berichtete nach der Entlassung Amris aus der Haft dem Komitee
für strategische Antiterrorismus-Analyse (Comitato di Analisi
Strategica Antiterrorismo – C.A.S.A.), das dem Innenminister untersteht,
über Einzelheiten seiner Haft. Dort habe Amri bereits Zeichen von
Radikalisierung und Annäherung an die Ideen des islamistischen Terrorismus
gezeigt. Einem christlichen Mithäftling soll er gedroht haben: „Ich schlage dir
den Kopf ab.“[23][28][29]
Am
18. Mai 2015 endete seine Haft und er wurde ins Zentrum für Identifizierung und
Ausweisung nach Caltanissetta verlegt.
Die Abschiebung nach Tunesien scheiterte, weil, so die damalige Darstellung der
italienischen Behörden, die tunesische Regierung erklärt habe, Amri sei kein
Tunesier, und deshalb die Ausstellung von Ausweispapieren verweigerte.
Tatsächlich hatte das tunesische Konsulat in Palermo die Geburtsurkunde Amris,
ausgestellt am 24. Juni 2011, bereits offiziell an die italienischen Behörden
übermittelt. Amris Identität war somit geklärt und seine Abschiebung nach
Tunesien möglich, sie wurde jedoch nicht eingeleitet.[30][31] Am 17. Juni 2015 wurde Amri
wieder auf freien Fuß gesetzt mit der Auflage, Italien binnen sieben Tagen zu
verlassen.[1][11][22][32][33][34][35] Italienische Sicherheitskreise
berichteten, dass der Inlandsgeheimdienst AISI (Agenzia
Informazioni e Sicurezza Interna – dt.: Behörde für
Informationen und innere Sicherheit) Amri nach seiner Entlassung überwachte mit
dem Ziel, den bereits als radikalen Islamisten erkannten Tunesier auf seinem
erwarteten Weg in die italienische Dschihadistenszene zu beobachten. Die
Überwachung scheiterte jedoch, als man Amri wegen einer Panne aus den Augen
verlor.[30][31] Italienische Behörden
übermittelten laut eigenen Angaben alle relevanten Informationen, etwa über
Amris Verurteilung, sein Verhalten in Haft und die gescheiterte Abschiebung, in
das Schengener
Informationssystem (SIS).[22]
Schweiz
Amri
blieb im Schengen-Raum. Er
reiste zunächst illegal in die Schweiz ein und hielt sich dort bis zu seiner
Ausreise nach Deutschland im Juli 2015 auf. Er versteckte sich im Untergrund
und wurde von den Schweizer Behörden weder registriert noch erfasst. Wegen
seiner Radikalisierung in den italienischen Gefängnissen ist anzunehmen, dass
er in dieser Zeit Kontakt mit Salafisten der Schweiz aufnahm. Diese hatten
Verbindungen mit Salafisten in Deutschland, unter anderem nach Hildesheim.[36][37][38][39][40][41][42] In der Schweiz soll Amri sich
auch die Pistole beschafft haben, mit der er den polnischen Lkw-Fahrer erschoss
und die er in Mailand mit sich führte.[43] Ab Februar 2016 benutzte Amri
ein Schweizer Handy und eine Schweizer Prepaid-SIM-Karte, die auf einen anderen
Namen registriert waren.[44] Auch Amris Komplize, der
Tunesier Bilal Ben Ammar, hatte am 14. Oktober 2014 in der Schweiz um Asyl
ersucht. Zehn Tage später zog er seinen Antrag wieder zurück. Danach verlor
sich zunächst seine Spur (in der Schweiz). Erst am 17. Juli 2015, als auch er
nach Deutschland einreiste, tauchte Ben Ammar wieder auf.[45]
Die Schweizer
Bundesanwaltschaft teilte mit, dass sie im Zusammenhang mit dem
Anschlag in Berlin ein Strafverfahren gegen Unbekannt wegen Verdacht auf
Unterstützung oder Beteiligung an einer kriminellen Organisation und
Mitgliedschaft in einer Terrormiliz wie dem Islamischen Staat (IS) und
verwandten Organisationen eröffnet habe.[46]
Deutschland
Aufenthalt
in Deutschland
Amri
reiste mit dem Beginn der Flüchtlingskrise am
6. Juli 2015 illegal nach Deutschland ein. Er meldete sich auf dem
Polizeirevier Freiburg-Nord, gab an, er komme aus Tunesien und wolle Asyl
beantragen. Sein Name sei „Anis Amir“ und er sei am 22. Dezember 1992 geboren.
Wie sich später herausstellte, war Amri im Besitz eines tunesischen
Reisepasses, den er aber nicht vorlegte.[47][48][49]
So
wurde Amri unter dem Namen „Anis Amir“ in Freiburg registriert und
erkennungsdienstlich behandelt.[50] Durch den Buchstabendreher
„Amir“ erhielten die Beamten, die in Folge unter diesem Namen im Schengener
Informationssystem nachsahen, ob gegen ihn etwas vorlag, keine Warnung. Hätten
sie Amris richtigen Namen eingegeben, wäre die von den italienischen Behörden
zwei Wochen zuvor ins Informationssystem eingegebene Information erschienen,
dass es sich bei Amri um einen Kriminellen handelte, der in Italien bereits im
Gefängnis gesessen hatte und nach Tunesien abgeschoben werden sollte. Also um
einen Gewalttäter, „dem die Einreise in das Schengener Gebiet oder der
Aufenthalt dort zu verweigern ist“.[51] Nun erhielt er am 22. Juli
2015 eine Bescheinigung über die
Meldung als Asylsuchender (BüMA) und wurde nach Karlsruhe weiterverwiesen. Zugleich wurde
ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einreise ins
Bundesgebiet nach AufenthG eingeleitet.
Am 31. Juli 2015 wurde das Verfahren wegen unbekannten Aufenthalts gemäß § 154f StPO zunächst
eingestellt und Amri zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Amri befand sich
zu diesem Zeitpunkt bereits in Berlin, um sich dort erneut registrieren zu
lassen.[52]
Sechs
Tage später erhielt er von der Zentralen Aufnahmeeinrichtung (ZAA) Berlin eine
weitere BüMA auf den Namen „Mohammad Hassan“[13] und wurde aufgefordert, sich
bei der zuständigen Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) Dortmund zu melden.[50] Am 30. Juli 2015 erschien Amri
bei der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB)
in Dortmund, wo ihm eine dritte BüMA auf den Namen „Mohamed Hassa“ (* 22.
Oktober 1992 in Cafricik/Ägypten) ausgestellt wurde.[53][54] Am 4. August 2015 wurde Amri
von der EAE Dortmund wegen fehlender Kapazitäten der Zentralen
Unterbringungseinrichtung (ZUE) Hemer zugewiesen
und von dort an die ZUE Rüthen weiterverwiesen.
Frühe
Warnungen
Schon
am 27. Oktober 2015 unterrichtete die Ausländerbehörde (ABH) Kleve die Polizei
über die Aussage eines Zimmernachbarn des in Emmerich untergebrachten „Mohamed
Hassa“, dass dieser auf seinem Mobiltelefon „Fotos von schwarz
gekleideten Personen, die mit Schnellfeuerwaffen (Kalaschnikow) bewaffnet waren und mit Handgranaten posierten“, angesehen habe.[54]Die Polizei Krefeld leitete
daraufhin einen „Prüffall Islamismus“ ein. Es gelang ihr aber nicht, der
Aliasperson „Mohamed Hassa“ Anis Amri zuzuordnen.[58][59] In einem Chat von
2016 soll er das Wort do[u]gma als Metapher für
„Selbstmordanschlag“ benutzt haben.[60]
Unterwegs
mit (mindestens) 14 Identitäten
In
der Folgezeit reiste Amri ungehindert durch die Bundesrepublik und beantragte
unter mindestens 14 verschiedenen Alias-Namen Asyl oder Sozialleistungen,[61] z. B. in Berlin und
Oberhausen.[62][63][64][22] Am 28. Oktober 2015 meldete
Amri sich bei der ZAB Dortmund. Dort wurde ihm eine BüMA auf die
Aliaspersonalie „Ahmed Almasri“ (* 1. Januar 1995) ausgestellt.[65]Als solcher wurde er der Zentralen
Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Neuss und
von dort der Gemeinde Bestwig zugewiesen.
Bereits am nächsten Tag meldete Amri sich bei der Registrierstelle Münster
(Bezirksregierung Arnsberg – Außenstelle Münster). Hier wurde ihm eine weitere
BüMA – wiederum als „Ahmed Almasri“ (* 1. Januar 1995) – ausgehändigt, mit dem
Vermerk, dass eine Wohnsitznahme ausschließlich in Oberhausen erlaubt ist. In
Oberhausen blieb Amri bis zum 18. März 2016 als „Ahmed Almasri“ gemeldet.[54]
Schon
kurz nach seiner Ankunft in Nordrhein-Westfalen (NRW)
nahm Amri Kontakt zum salafistischen-dschihadistischen-Netzwerk um den
irakischstämmigen Hassprediger Abu Walaa in Hildesheim auf. Walaa, der hauptsächlich
vom 2012 gegründeten Deutschsprachigen Islamkreis Hildesheim e.V. (DIK)
aus operierte, aber auch über Online-Plattformen wie Facebook, Youtubeund telegram predigte,
wurde 2015 in NRW als Gefährder eingestuft und galt den
Sicherheitsbehörden als zentrale Figur des IS-Rekrutierungsnetzwerks in
Deutschland. Nach einigen Jahren Beobachtung durch den Verfassungsschutz
Niedersachsen ermittelte ab November 2015 unter der
(Sach-)Leitung des Generalbundesanwalts das Landeskriminalamt (LKA)
NRW gegen Abu Walaa und mutmaßliche Helfer wegen Anwerbung junger Muslime für
den Dschihad. Das Ermittlungsverfahren lief unter
dem Namen „EK Ventum“ – Ermittlungskommission Ventum.[66][67]
Zu
Walaas Netzwerk mit vielfältigen Verbindungen in zahlreiche andere deutsche
Städte gehörte auch der Deutsch-Serbe Boban Simeonovic (alias Abdurrahman) in
Dortmund, der laut Generalbundesanwaltschaft unter anderem die Aufgabe hatte,
„Gleichgesinnten und Ausreisewilligen neben der arabischen Sprache auch
radikal-islamische Inhalte zu lehren. Der Unterricht diente dazu, die
ideologischen und sprachlichen Grundlagen für eine zukünftige Tätigkeit beim
‚IS‘, insbesondere für die Teilnahme an Kampfhandlungen, zu schaffen.“ Während
seiner Aufenthalte in Dortmund (22. Januar 2016 bis zum 12. Februar 2016, Ende
März 2016, 11. August 2016 und bis 18. August 2016 sowie 9. November 2016, nach
der Verhaftung von Boban Simeonovic) soll Amri zeitweise bei Simeonovic gewohnt
haben, in verschiedenen Dortmunder Moscheen sogar als Vorbeter aufgetreten
sein. Das Polizeipräsidium Dortmund stufte Amri ab dem 17. Februar 2016 als
„Gefährder NRW“ ein.[68][69][70][71]
Auch
der Türke Hasan Celenk, ein selbsternannter Imam aus Duisburg-Rheinhausen, der
ebenfalls Jugendliche radikalisiert und für den IS angeworben haben soll,
gehörte zu Walaas Netzwerk.[72][73][74]
Als
im Sommer 2015 ein kleiner, konspirativer Kreis in der Moschee des Deutschsprachigen
Islamkreises Hildesheim (DIK) in Hildesheim (Niedersachsen) über mögliche Anschläge in
Deutschland sprach, gehörte Amri bereits zum Umfeld der Teilnehmer. Auch
gehörte er zu einer Gruppe, die sich für den Kampf in Syrien trainieren ließ.
Weil man dann aber Anschläge in Deutschland einer Ausreise nach Syrien vorzog,
entschied sich auch Amri, in Deutschland zu bleiben.[75] Im Rahmen des
Ermittlungsverfahrens gegen Abu Walaa wurde vom LKA NW ein Informant in dessen
Netzwerk eingeschleust.[76] Dieser Informant berichtete am
19. November 2015, dass ein gewisser „Anis“ in Deutschland etwas „machen“
wolle, am 25. November, dass dieser „Anis“ behauptet habe, er könne „problemlos
eine Kalaschnikow in Napoli besorgen“ und am 3. Dezember, dass „Anis“ in Paris
Kalaschnikows kaufen wolle, um damit Anschläge in Deutschland zu begehen.[77]
Schon
am 26. November 2015 hatte das LKA NW beim Generalbundesanwalt (GBA) angeregt,
die Telekommunikation von Amri zu überwachen (TKÜ), um weitere Erkenntnisse
über den Kern der Zelle um Walaa zu erhalten, was der GBA auch veranlasste.
Amris Telekommunikation wurde vom 2. Dezember 2015 bis zum 26. Mai 2016
überwacht (ab da rechtlich nicht mehr zulässig lt. LdsKD Dieter
Schürmann (MIK)).[78][79][80][81][82]
Amri
wurde in dem Ermittlungsverfahren gegen Walaa durchweg nicht als Beschuldigter,
sondern nur als Kontaktperson, als sogenannter Nachrichten(über)mittler und
nach Aussage von Ralf Jäger, Minister
für Inneres und Kommunen (MIK) in Nordrhein-Westfalen, als völlig unwichtig
gehandelt: „…Wenn man sich ein Organigramm mit mehreren Dutzend Personen
vorstellt, in deren Mitte die Beschuldigten [Walaa u. a.] stehen, steht
irgendwo oben rechts außen die Person Amri, die zwischenzeitlich zu dieser
Zelle Kontakt hatte. …“[83]
Als
Abu Walaa und vier seiner Mitarbeiter am 8. November 2016 wegen Bildung eines
salafistischen-dschihadistischen IS-Anwerbe-Netzwerks verhaftet wurden,[84][85][86] wurde gegen Amri nichts
unternommen, weil man ihn nicht zum inneren Zirkel des Hasspredigers rechnete
und LKA Berlin und Bundesministerium
des Innern (BMI) ihn zu diesem Zeitpunkt als harmlos
einschätzten (keine intensiven islamistischen Aktivitäten, Tätigkeit im Bereich
der Allgemeinkriminalität, Alkohol- und Ecstasy-Konsum, keine regelmäßigen
Moscheebesuche oder Teilnahme an Schächtungsfeiern).[87]
Asylantrag
– Ablehnung – Beschaffung von Passersatzpapieren (PEP)
Am
28. April 2016 stellte Amri in Dortmund einen Asylantrag unter
dem Namen „Ahmed Almasri“ (* 1. Januar 1995, tunesischer Staatsangehöriger) und
wurde vom Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erkennungsdienstlich
behandelt. Bei der AFIS-Abfrage im Bundeskriminalamt (BKA)
wurden die zahlreichen (bis dahin acht) Alias-Personalien von Amri bekannt.[88] In der Folge hatte Amri
Anspruch auf Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.[89] In Zusammenarbeit der
Sicherheitskonferenz NRW und des BAMF wurde darauf hingewirkt, Amris
Asylverfahren beschleunigt durchzuführen („Priorisierte
asylverfahrensrechtliche Bearbeitung“).[90]
Am
30. Mai 2016 wurde Amris Asylantrag (unter dem Alias-Namen „Ahmed Almasri“) als
offensichtlich unbegründet abgelehnt, am 11. Juni 2016 trat der Entscheid in
Kraft. Am 16. Juni wurde die für Amri zuständige Ausländerbehörde in Kleve
durch das BAMF über Amris Status informiert. Für Amri bestand seitdem Ausreisepflicht.[91] Am 16. August 2016 erhielt er
noch eine Duldung der Klever Ausländerbehörde, gültig bis zum 16. September
2016.[92]
NRW
verständigte sich mit Berlin am 19. August 2016 darauf, dass trotz des
überwiegenden Aufenthaltes Amris in Berlin,[93] das Verfahren zur
Aufenthaltsbeendigung (insbes. Beschaffung von Passersatzpapieren/PEP)
weiterhin durch NRW vorangetrieben werden sollte.[94][95] Eine Abschiebung würde aber
nur möglich sein, wenn Amris Identität eindeutig geklärt werden konnte,
Tunesien die Rücknahme akzeptierte und die dafür erforderlichen
Passersatzpapiere/PEP ausstellen würde.[95]
Wegen
unvollständiger Unterlagen konnten zunächst bei den tunesischen Behörden keine
Passersatzpapiere beantragt werden, da neben den regelmäßig erhobenenen
erkennungsdienstlichen Daten (Fingerabdrücke, biometrisches Lichtbild)
zusätzlich die Handflächenabdrücke für die eindeutige Identifizierung verlangt
wurden. Diese wurden Amri aber erst bei seiner Festnahme in Friedrichshafen/Justizvollzugsanstalt
Ravensburg (JVA) am 30. Juli/1. August 2016 abgenommen, von der
JVA Ravensburg an die ABH Kleve und von dieser wiederum an die ZAB in Köln geschickt.[96] Erst danach wurden beim
tunesischen Generalkonsulat in Bonn PEP beantragt, allerdings mit diffusen
Angaben: „Das sind die Unterlagen von Ahmed ALMASRI alias Amir alias Anis AMRI,
geb. am 22.12.1992; beigefügt Fingerabdrücke und Handflächenabdrücke von Amir.“[97] Bis dahin waren die deutschen
Behörden nicht in der Lage, Amris Identität eindeutig zu bestimmen, und so
lehnte das tunesische Generalkonsulat am 20. Oktober 2016 den Antrag mit der
Mitteilung ab: „Das ist kein tunesischer Staatsbürger“.[98][99]
Die
endgültige Bestätigung, dass es sich bei Amri um einen tunesischen Staatsbürger
handelte, war letztlich den Bemühungen des BKA zu verdanken („Polizeischiene“).
Das BKA hatte frühzeitig versucht, die Identität von Amri zu klären, und am 18.
Februar 2016 ein Ersuchen an Tunesien gerichtet. Beamte des BKA waren im Mai
2016 nach Tunesien gereist, zunächst ohne konkrete Ergebnisse zu erreichen.[100] Vier Tage nach der Ablehnung
des tunesischen Generalkonsulats, Amri als Staatsbürger anzuerkennen,
bestätigte Interpol Tunis dem LKA NRW am 24. Oktober 2016, dass es sich bei
Anis Amri um einen Tunesier handelte. Vom LKA NRW wurde dies an das
Innenministerium NRW (MIK) und von dort an die ZAB Köln weitergeleitet.[99]
Daraufhin
konnte am 27. Oktober 2016 durch die ZAB Köln ein erneutes PEP-Verfahren
eingeleitet werden. Am 21. Dezember 2016 – zwei Tage nach dem Anschlag in
Berlin – erreichte die ZAB in Köln dann die Bestätigung des tunesischen
Generalkonsulats, dass Amri auch durch die entsprechende tunesische
Zentralstelle identifiziert worden und damit eine Ausstellung von PEP möglich
sei.[101][102]
Festnahme in
Friedrichshafen
Nach
einem Hinweis des Landeskriminalamt (LKA)
Nordrhein-Westfalen an die Polizeiinspektion Konstanz und das
Bundespolizeirevier Friedrichshafen über
eine mögliche Reise Amris von Berlin über München nach Zürich wurde er am Samstag, den 30. Juli
2016 im Busbahnhof Friedrichshafen nahe der Schweizer Grenze aufgegriffen. Amri
wies sich mit einem italienischen Ausweis (Carta d’Identità) aus und gab
an, zu einer Hochzeit in Zürich zu wollen. (Später wurde bekannt, dass er
offenbar zum Besuch von über Facebook kennengelernten
Heiratsaspirantinnen in die Schweiz unterwegs war, um durch eine Ehe einer
Abschiebung zu entgehen.[105]) Bei Überprüfung des Ausweises
erwies sich dieser als gefälscht. Daraufhin wurde sein Gepäck durchsucht, ein
weiterer gefälschter italienischer Pass sowie Drogen gefunden. Beide Dokumente
waren ausgestellt auf „Anis Amri“, geboren am 22. Dezember 1995 in Rom.
Daraufhin
wurde Amri die Ausreise gemäß § 46 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz untersagt. Er wurde in
Haft genommen und der Fall von der Bundespolizei an das Landespolizeirevier
Friedrichshafen übergeben. Mehrere Ermittlungsverfahren wurden gegen ihn
eingeleitet. Die konkreten Vorwürfe waren: Urkundenfälschung (§ 267 Absatz
1 StGB),
Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen (§ 276 Absatz 1 StGB), unerlaubter
Besitz von Betäubungsmitteln (§29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 BtMG),
Verdacht des unerlaubten Aufenthaltes ohne Pass bzw. Passersatz (§95 Absatz 1
Nummer 1 Aufenthaltsgesetz), Verdacht des unerlaubten Aufenthalts ohne
Aufenthaltstitel (§95 Absatz 1 Nummer 2 Aufenthaltsgesetz).[106][107][108]
Nach
Rücksprache der Landespolizei mit der Ausländerbehörde Friedrichshafen wurde
Amri zur „Sicherung der Abschiebung“ nach Tunesien in der JVA Ravensburg in Haft genommen. Ein
Amtsrichter befristete seine vorläufige Inhaftierung bis Montag, 1. August
2016, 18.00 Uhr. Bis dahin sollte die für Amri zuständige Ausländerbehörde in
Kleve entscheiden, wie mit Amri weiter zu verfahren sei. Am Montag wurde der
Fall in der Behörde besprochen. Man wandte sich an das Innenministerium NRW in
Düsseldorf. Dort wurde der Fall der Sicherheitskonferenz (Siko) vorgelegt.[109] Deren Mitglieder kamen zu dem
Schluss, dass Amris Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate über
die Bühne gehen könne. Da die tunesischen Behörden die für eine Ausweisung
notwendigen PEP (Passersatzpapiere) wohl nicht in diesem Zeitraum liefern
würden, könne man Amri nicht in Abschiebehaft nehmen. Noch am selben Tag
schickte die Ausländerbehörde Kleve eine E-Mail mit der Argumentation der
Siko/Innenministerium NRW an die JVA Ravensburg: Amri sei sofort aus der Haft
zu entlassen. Der Aufforderung an die JVA Ravensburg, vorher von Amri
Handflächenabdrücke zu nehmen, wurde Folge geleistet. Zeitgleich stellte die
Staatsanwaltschaft Ravensburg die o. g. Verfahren nach § 154f StPO ein.[110] Amri gelangte daraufhin
wieder in Freiheit.[111][112][113][114][115] Amri hätte vermutlich länger
in Haft gehalten werden können, denn der Bundesgerichtshof hatte (bereits) im
Jahre 2010 entschieden, dass Verzögerungen durch fehlende Passersatzpapiere
zulasten des Ausreisepflichtigen gehen.[116][117]
Bei
seiner Entlassung gab Amri als Wohnanschrift eine Adresse in Karlsruhe an. Es handelte sich allerdings
um die Anschrift des „Menschenrechtszentrums Karlsruhe“. Unter der Adresse
werden mehrere Organisationen geführt, die Arbeit mit und für Flüchtlinge
leisten. Ein Sprecher des dortigen „Freundeskreis Asyl“ teilte jedoch mit, Amri
sei nicht bei ihnen gewesen. Die Adresse würde auch nicht als Meldeadresse zur
Verfügung stehen.[118]
NRW-Innenminister Ralf Jäger erklärte, Amri habe nicht
abgeschoben werden können, weil er keine gültigen Ausweispapiere hatte und
Tunesien seine Staatsangehörigkeit zunächst bestritt.[119][12]
Deutsche
Sicherheitsbehörden
Ein
Informant des nordrhein-westfälischen
Landeskriminalamtes berichtete im Frühsommer 2015, Amri
verkehre regelmäßig im Netzwerk der Moschee des „Deutschsprachigen Islamkreises
Hildesheim“ (DIK) des Salafisten-Predigers Abu Walaa, einer der bekanntesten
IS-Rekrutierer in Deutschland. Mehrfach habe Amri von möglichen Attentaten
gesprochen. 2015 war er Teil einer Gruppe, die sich für den Kampf in Syrien
trainieren ließ. Amri soll in Deutschland geblieben sein, weil sein Umfeld
Anschläge in Deutschland einer Ausreise vorgezogen habe.[120] Einen Mann, der als Quelle
der Polizei
Nordrhein-Westfalen geführt wurde, soll Amri gefragt haben,
ob dieser Schusswaffen besorgen könne.[121][122]
Im
März 2016 initiierte das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen ein Verfahren
gegen Amri wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren
staatsgefährdenden Gewalttat. Er wurde als Gefährder eingestuft und ab dem 14. März
2016 verdeckt observiert. Auch seine Kommunikation wurde überwacht.[103] Da sich Amri überwiegend in
Berlin aufhielt, wurde die Observierung von den dortigen Behörden übernommen.[5] In Berlin verkaufte Amri Drogen
im Görlitzer Park.
An einem Busbahnhof in Berlin wurde er kontrolliert, aber wieder laufen
gelassen.[123][124] Ende Mai 2016 sprach Amri mit
einer Vertrauensperson des Landeskriminalamts
Düsseldorf und unterrichtete sie von seinen Anschlagsplänen.[5]
Anfang
Juli 2017 stellte der Leiter der Abteilung Terrorismus beim Generalbundesanwalt
fest, dass Amri nach einem im April 2016 abgehörten Telefonat offenbar doch
über einen tunesischen Reisepass verfügte. Die Aufnahme des Telefonats wurde
aber nicht zeitnah ausgewertet und die Erkenntnisse später nicht
weitergeleitet.[125]
Amris
Observierung wurde im September eingestellt, weil laut
Generalstaatsanwaltschaft Berlin „die umfangreichen Überwachungsmaßnahmen […]
trotz Verlängerung keine Hinweise [erbracht hatten], um den ursprünglichen
Vorwurf zu verifizieren oder diesen oder einen anderen staatsschutzrelevanten
Tatvorwurf zu erhärten, so dass keine Grundlage für eine weitere Verlängerung
der Anordnungen zur Überwachungsmaßnahmen mehr bestand“.[123] Im November 2016 wurde der
Prediger des DIK Abu Walaa in Hildesheim, in dessen Umfeld sich Amri
bewegte, festgenommen. Gleichzeitig wurde der Dortmunder Boban S. festgenommen, bei dem
Amri zeitweise gewohnt haben soll.[126] Im selben Monat war Amri
Thema einer Sitzung des Gemeinsamen
Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) von Bund und Ländern. Die
Beamten dort waren in Sorge, wie mobil und wie radikal Amri war.[127]
Am
14. Dezember 2016 wurde eine neue Version des Personenprofils Amris von den
Sicherheitsbehörden erstellt, in das die Informationen mehrerer Dienststellen
einflossen. Das Landeskriminalamt Düsseldorf bewertete Amri als „einen
Salafisten und radikalen Fundamentalisten“. Als Sympathisanten des Islamischen
Staates stufte ihn das Dortmunder Polizeipräsidium ein. Es soll außerdem
bekannt gewesen sein, dass „er nach Bombenbauanleitungen suchte und sich als
Selbstmordattentäter anbot“.[128] Die nordrhein-westfälische
Landesregierung erklärte am 14. Januar 2017, nach einer
entsprechende Anfrage der CDU-Landtagsfraktion, Amri sei kein V-Mann des Landesverfassungsschutzes gewesen.[129]
Laut
Berichten des RBB forderten Berliner
Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft,
Anis Amri aufgrund der Gefährdungslage weiter zu observieren, wozu es entgegen
offizieller Darstellung nicht kam. Bis Juni 2016 wurde der Attentäter vom
Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche observiert. Bislang wurde von
LKA-Chef, Polizeipräsident, Staatssekretär und Innensenator mitgeteilt, dass
die Beobachtung dann eingestellt wurde, weil keine Hinweise auf eine
bevorstehende schwere Straftat vorlagen. LKA und Staatsanwaltschaft beantragten
die weitere Observierung und erhielten die richterliche Genehmigung aufgrund
des Weiteren Verkehrens von Amri mit der Salafistenszene Berlins. Dennoch wurde
der Beschluss nicht umgesetzt. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hätten diese
Unterlagen laut Eigenaussage nicht vorgelegen. Ein Sonderbeauftragter soll
weitere Aufklärung liefern.[130]
Ausländische
Sicherheitsbehörden
Der marokkanische Geheimdienst Mudīriyyat Murāqabat at-Turāb al-Waṭanī (Direction
générale de la surveillance du territoire du Maroc – DGST) warnte deutsche
Sicherheitsbehörden am 19. September 2016 und noch einmal am 11. Oktober 2016
konkret vor Amri.[131][132] Amri habe Kontakte zur
Terrormiliz Islamischer
Staat und sei bereit, einen Terroranschlag durchzuführen.
Demnach hatte Amri in Deutschland Kontakt zu mindestens zwei Anhängern der
IS-Miliz; bei einem soll es sich um einen von deutschen Behörden nach Russland
ausgewiesenen Russen gehandelt haben, bei dem anderen um einen Marokkaner,
dessen Reisepass von der Berliner Polizei eingezogen wurde. Zudem übermittelte
der Geheimdienst eine konspirative Adresse in Dortmund, wo sich Amri seit 14 Monaten
verdeckt aufgehalten haben soll.[133] Ferner habe er in Tunesien
versucht, Mitglieder für die Terrormiliz IS anzuwerben.[134] Die Meldungen gingen
zeitgleich an Bundesnachrichtendienst und Bundeskriminalamt.[135] Am 23. Dezember 2016
bestätigte die marokkanische Botschaft in Berlin, dass es von ihrer Seite zwei
Warnungen gegeben habe. Auch vor dem Anschlag in Nizza am 14. Juli 2016 hatte
der DGST gewarnt.[136]
Auch
den US-Behörden war Amri bekannt. Die New York Times berichtete,
dass er sich im Internet über den Bau von Sprengsätzen informiert und mindestens
einmal über Telegram Messenger
Kontakt zur Terrormiliz IS aufgenommen haben soll. Sein Name stand auf
der Flugverbotsliste der
USA.[137]
Verschiedene Identitäten
Amri
nutzte 14 unterschiedliche Identitäten[138][139] mit verschiedenen Namen und
biografischen Daten, darunter die folgenden:[140]
· Mohamed
Hassa (* 22. Oktober 1992 in Cafrichik, Ägypten). Im Flüchtlingsheim in
Emmerich wurde Amri unter diesem Namen geführt.
· Mohammad
Hassan (* 22. Oktober 1992 in Kafer, Ägypten). Die Erstaufnahmeeinrichtung in
Dortmund führte ihn unter diesem Namen als Asylsuchenden.
· Ahmed
Almasri (* 1. Januar 1995 in Cafrichik, Ägypten). Im Übergangsheim in Emmerich
war Amri bis 5. Dezember 2016 unter diesem Namen gemeldet.
· Ahmed
Almasri (* 1. Januar 1995 in Alexandria, Ägypten). Die
Flüchtlingsunterkunft Oberhausen führte ihn unter diesem Namen.
· Ahmed
Almasri (* 1. Januar 1995 in Skendiria, Ägypten). In einem Identitätsdokument
der Dortmunder Ausländerbehörde wurde er unter diesem Namen geführt.
· Ahmad
Zaghoul (* 22. Dezember 1995). Dies war sein Name bei der Zentralen
Leistungsstelle für Asylbewerber in Berlin.
· Ahmad
Zarzour (* 22. Dezember 1995 in Ghaza, Tunesien). Derzeit ist unbekannt, wann
und wo er diesen Namen verwendete.
Amri
soll die unterschiedlichen Identitäten auch zum Sozialbetrug genutzt
haben. So soll die Staatsanwaltschaft
Duisburg im April 2016 ein Ermittlungsverfahren gegen Amri
eröffnet haben, weil er im November 2015 in Emmerich und Oberhausen[141] mehrfach Sozialleistungen erhielt.[142] Das Ermittlungsverfahren
wurde im November 2016 eingestellt, „weil der Aufenthaltsort Amris den Behörden
nicht bekannt ist“.[143]
Anschlag
in Berlin 2016
Am
Abend des 18. Dezember 2016 traf sich Amri mit seinem 26-jährigen, am 1.
Februar 2017 abgeschobenen[144] Landsmann Bilel Ben Ammar,[145] der von den
Ermittlungsbehörden als Kontaktmann eingestuft wird, in einem Restaurant
in Berlin-Gesundbrunnen.
Ben Ammar, der der radikal-salafistischen Szene zugeordnet wird, wurde nach dem
Anschlag als „Gefährder“ eingestuft. Gegen ihn war bereits zuvor wegen einer
schweren staatsgefährdenden Straftat ermittelt worden – er wurde verdächtigt,
zusammen mit zwei weiteren Personen Sprengstoff für einen Anschlag in
Düsseldorf besorgt zu haben, was ihm jedoch nicht nachgewiesen werden konnte.
Am 4. Januar 2017 wurde ein Haftbefehl wegen Verdachts des Sozialbetrugs gegen
Bilel Ben Ammar erlassen.[139]
Am
19. Dezember kurz nach 15 Uhr brachte Amri einen Sattelzug einer polnischen
Spedition am Friedrich-Krause-Ufer in Berlin-Moabit in seine Gewalt, indem er
den polnischen Fahrer mit einer kleinkalibrigen Pistole (Kaliber .22)[146] erschoss. Er probierte noch
vor 16 Uhr, das Fahrzeug zu lenken, blieb aber zunächst weiter am
Friedrich-Krause-Ufer stehen. Vor der nicht weit entfernten Moschee Fussilet 33, einem salafistischen Treffpunkt,
wurde Amri von staatlichen Überwachungskameras von 18:38 bis 19:07 Uhr gefilmt.[147] Wieder im LKW chattete Amri
mit Glaubensbrüdern aus Berlin und dem Ruhrgebiet. Unter anderem schickte er
ein Selfie aus dem Führerhaus des Lkw und die
Nachricht „Mein Bruder, alles in Ordnung, so Gott will. Ich bin jetzt im Auto,
bete für mich, mein Bruder, bete für mich.“[128] Er fuhr um 19:30 Uhr los und
gegen 20 Uhr am Breitscheidplatz in den dort stattfindenden Weihnachtsmarkt. Dabei tötete er elf Menschen
und verletzte weitere 55, einige von ihnen schwer. Anschließend floh er
zunächst zu Fuß vom Tatort.
Irrtümlich
als Täter verdächtigt und nach dem Attentat für einen Tag inhaftiert wurde
zunächst ein pakistanischer Asylbewerber. Im Führerhaus des Lkw wurde erst bei
erneuter Untersuchung des Tatfahrzeugs eine am 20. Dezember 2016 die vom Kreis Kleve ausgestellte Duldungsbescheinigung des
tunesischen Staatsbürgers Anis Amri gefunden.[148][149] Auch Amris Mobiltelefone der
Marken HTC[140] und Samsung[150] wurden am 20. Dezember 2016
sichergestellt.[151] Ersteres wurde vor der
Stoßstange des Lkws gefunden und war möglicherweise bei der starken Bremsung
des Notbremsassistenten durch
die Windschutzscheibe geschleudert worden. Seine Geldbörse mit 230 Euro
Inhalt wurde ebenfalls am Tatort gefunden.[140]
Noch
am Nachmittag des 21. Dezember 2016 erklärte Ralf Jäger, Innenminister von
Nordrhein-Westfalen, in einer Pressekonferenz, aus dem Fund eines
Ausweisdokuments Amris im Tat-Lkw lasse sich „nicht schließen, dass Amri auch
an der Tat beteiligt war“.[152] Erst am Abend des 21.
Dezember 2016 schrieb der Generalbundesanwalt eine Öffentlichkeitsfahndung aus.[153] Das Bundeskriminalamt setzte
für zur Ergreifung Amris führende Hinweise eine Belohnung von bis zu 100.000
Euro aus.[154] Am 21. Dezember, zwei Tage
nach dem Anschlag, seien Ersatz-Ausweispapiere aus Tunesien eingetroffen. Am
22. Dezember wurde bestätigt, dass Fingerabdrücke von Amri in der
Fahrerkabine des Lkw nachgewiesen wurden.[155][156] Am selben Tag veröffentlichte
Amris in Tunesien lebende Familie einen Appell an Anis Amri, sich der Polizei
zu stellen. Wenn dieser getan habe, was die Behörden vermuteten, werde er dafür
bestraft werden.[157]
Menschen
in Amris Umfeld äußerten, er habe auch Drogen konsumiert. Seine Geschwister
vermuteten, er habe sich in einem italienischen Gefängnis radikalisiert. Am 4.
März 2017 wurde bestätigt, dass Amri regelmäßig Kokain und Haschisch konsumierte. Das geht aus dem
Autopsie-Bericht hervor, welcher der italienischen Nachrichtenagentur Ansa vorliege.
Demnach soll der Tunesier an seinem Todestag zwar keine Drogen genommen
haben, es sei aber nicht auszuschließen, dass er zum Zeitpunkt des Anschlags
unter Drogeneinfluss gestanden habe.[158]
Am
23. Dezember 2016 gegen drei Uhr morgens wurde Amri in der zur Metropolitanstadt
Mailand gehörenden Stadt Sesto San Giovanni erschossen.[159] Der italienische
Innenminister Marco Minniti berichtete,
Amri habe bei einer Ausweiskontrolle sofort mit einer aus seinem Rucksack
gezogenen Waffe auf zwei Polizisten geschossen, bis einer der beiden ihn
erschoss.[160] Bei dem Schusswechsel wurde
ein Streifenpolizist an der Schulter verletzt. Amri wurde nach Angaben der
Polizei per Fingerabdruck identifiziert. Er trug ein Zugticket von Frankreich
nach Italien bei sich.[161] In seinem Rucksack sollen
sich mehrere Hundert Euro befunden haben.[128] Amri schoss mit derselben
Waffe auf die italienischen Polizisten, mit der er dem Lkw-Fahrer in Berlin in
den Kopf geschossen hatte.[162]
Die
Pistole der Marke ERMA,
Modell EP 552, Kaliber 22 long rifle, soll er
sich in der Schweiz beschafft haben.[163] Am selben Tag erschien auf
der Website des Propaganda-Sprachrohrs Amaqder
Terrormiliz Islamischer
Staat ein Video, auf dem sich Amri zu dem Anführer der
Terrormiliz, Abu Bakr al-Baghdadi,
bekennt.[164] Amaq hatte bereits am 20.
Dezember 2016 die Nachricht verbreitet, der Attentäter habe als „Soldat des
Islamischen Staates“ gehandelt.[165]
In
den folgenden Tagen wurden in Tunesien nahe der Stadt Kairouan drei Männer festgenommen, einer
davon ein Neffe Amris. Das Innenministerium nannte die drei Festgenommenen eine
„Terrorzelle“, sie seien zwischen 18 und 27 Jahre alt und der Zugriff stehe in
Zusammenhang mit den Ermittlungen zu Amri. Tunesien stand unter Handlungsdruck,[166] seit bekannt war, dass deren
Behörden die Rücknahme Amris verweigert hatten, nachdem Amri seine
Gefängnisstrafe in Italien verbüßt hatte und als Nordrhein-Westfalen ihn
abschieben wollte.[167]
Schon
am 20. Dezember 2016 hatte sich jemand in Nordrhein-Westfalen in das
Benutzerkonto von Amri bei Facebook eingeloggt
und das Facebook-Profil Amris gelöscht.[143]
Im
Juni 2017 wurde Amris Leiche nach Tunesien überstellt, wo er am 5. August 2017
im Beisein seiner Familie ohne traditionelle Zeremonie beerdigt wurde.[168]
Das Parlamentarische
Kontrollgremium des Bundestages (PKGr), das für die
Geheimdienste zuständig ist und im Geheimen tagt, setzte Mitte Januar 2017
eine „Task Force“ ein,
um mögliche Fehler oder Pannen beim Umgang mit Amri aufzuklären.[169] Diese erstellte einen 102
Seiten umfassenden Bericht, der Ende März 2017 abgeschlossen und als geheim
eingestuft wurde. Soviel bekannt wurde, kritisierte das Kontrollgremium in
seinem Bericht das Verfahren zur Bewertung von islamistischen Gefährdern im Gemeinsamen
Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) als unzureichend. Am GTAZ sind
40 Ämter beteiligt, darunter das Bundeskriminalamt, die Landeskriminalämter,
Bundespolizei, Verfassungsschutz aus Bund und Ländern, Bundesnachrichtendienst(BND),
Militärischer Abschirmdienst und Zollkriminalamt. Kritik gab es außerdem an der
unzureichenden Einbindung der Nachrichtendienste, vor allem des
Bundesnachrichtendienstes, bei den Ermittlungen gegen Amri. Das
Parlamentarische Kontrollgremium forderte darüber hinaus eine stärkere
Einbindung von Justiz- und Ausländerbehörden bei der Behandlung von Gefährdern,
um Abschiebungen konsequenter durchführen zu können. Die Justiz solle darüber
hinaus Verfahren bündeln und Sammelklagen anstreben.
Oppositionspolitiker
übten Kritik an dem Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums. André Hahn (Die Linke und stellvertretender
Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums) bezeichnete den Bericht
als „an ganz entscheidenden Stellen unvollständig und daher nur bedingt
beziehungsweise gar nicht geeignet, die Vorgänge um den Anschlag aufzuklären“.
Das liege zum einen daran, dass dem Kontrollgremium von den Behörden in
Nordrhein-Westfalen so gut wie keine Unterlagen übergeben worden seien. Zum
anderen habe der Ständige Bevollmächtigte des Kontrollgremiums, der am Bericht
der Task-Force federführend beteiligt war, zahlreiche Gespräche geführt, von
denen die anderen Mitglieder des Kontrollgremiums keine Kenntnis gehabt
hätten. Hans-Christian
Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen und
Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums) urteilte, die Task-Force habe
zwar „eine völlig neue Dimension der Gefährdung aufgedeckt“, dennoch gebe es
noch zahlreiche offene Fragen. Konstantin von Notz (Bündnis
90/Die Grünen) forderte, es müsse insbesondere geklärt werden, „warum sich Anis
Amri, wie unter einer Käseglocke geschützt durch Deutschland bewegen konnte“.
Die Opposition forderte daher einen Bundestags-Untersuchungsausschuss zu
Amri.[170][171][172][173]
Aufarbeitung
in Nordrhein-Westfalen
Zwei
parlamentarische Untersuchungsausschüsse
Auf
Antrag der Landtagsfraktionen von CDU, FDP und PIRATEN[174] nahm Mitte Februar der
Untersuchungsausschuss V der 16. Wahlperiode zum Fall Anis Amri in
Nordrhein-Westfalen seine Arbeit auf.[175][176] Ein Zwischenbericht wurde am
4. April 2017 veröffentlicht.[177]
Der
Untersuchungsausschuss I der 17. Wahlperiode (Fall Amri) wurde vom Landtag am
1. Juni 2017 aufgrund des Antrages der Fraktionen der CDU, SPD, FDP und Bündnis
90/Die Grünen eingesetzt. Am 27. Juni 2017 konstituierte sich der Ausschuss
unter dem Vorsitz des Abgeordneten Jörg Geerlings (CDU).
Verwicklung
von V-Leuten des LKA NRW
Der Rundfunk
Berlin-Brandenburg (rbb) und die Berliner Morgenpost berichteten
im Oktober 2017 unter Berufung auf mehrere Strafverteidiger von Islamisten aus
der Gruppe um Abu Walaa, dass der in
der Islamistengruppe um den Attentäter Amri vom Landeskriminalamt
Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) als „Vertrauensperson 01“ (VP-01)
geführte Mann selbst zu Anschlägen aufgefordert haben soll. Laut einem Zeugen
sei dabei auch von einem Anschlag mit einem Lkw die Rede
gewesen. Angesichts der nur behördenintern bekannt gewordenen Vorwürfe
versuchte das LKA NRW bereits mehrfach, seinen zwischenzeitlich enttarnten
V-Mann zu schützen. Der deutsche Politikwissenschaftler Hajo Funke von der Freien Universität
Berlin erklärte, die „Förderung von Attentatsplanungen“ sei
durch das Polizeirecht „überhaupt
nicht gedeckt.“[178][179]
Aufarbeitung
in Berlin
Der Weg
zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss
In
Berlin konnten sich die Oppositionsparteien AfD und
FDP mit ihren Forderungen nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss
zu dem Terroranschlag zunächst nicht durchsetzen. Die ebenfalls oppositionelle
CDU sowie die Koalitionsparteien SPD, Die Linke und Bündnis 90/Grüne lehnten
die Unterstützung des FDP-Antrags ab.[180][181][182][183] Im April 2017 setzte der
Berliner Senat den ehemaligen Bundesanwalt am Bundesgerichtshof Bruno Jost als Sonderermittler ein, um die Arbeit der
Berliner Behörden im Fall Amri zu untersuchen. Jost erhielt ein Büro bei
Innensenator Andreas Geisel (SPD)
und zwei Mitarbeiter.[184] Er legte im Sommer 2017 einen
Zwischenbericht und am 12. Oktober 2017 einen umfangreichen Abschlussbericht vor,
der auch im Internet veröffentlicht wurde.[185][186]
Am
6. Juli 2017 beschloss das Abgeordnetenhaus
von Berlin auf Antrag der Fraktionen SPD, CDU, Die Linke, Grüne
und FDP die Einsetzung eines Untersuchungsausschuss gemäß Art. 48 der Verfassung von Berlin zur
Untersuchung des Ermittlungsvorgehens im Zusammenhang mit dem Terroranschlag am
Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016.[187][188] In der konstituierenden
Sitzung des Ausschusses am 14. Juli 2017 wurde der Abgeordnete Burkard Dregger (CDU) zum Vorsitzenden
gewählt.
Vertuschungsversuche beim
LKA Berlin
Mitte
Mai 2017 wurde bekannt, dass Amri möglicherweise bereits vor dem Anschlag hätte
festgenommen werden können. Der Sonderermittler Bruno Jost war bei seinen Recherchen im LKA Berlin im polizeilichen
Informationssystem auf Ungereimtheiten gestoßen.[189] Zwei Dokumente (das eine
digital, das andere ausgedruckt auf Papier), die mit demselben Datum (1.
November 2016) versehen waren, enthielten widersprüchliche Aussagen. Es waren
zwei Versionen eines LKA-Abschlussberichts, der von Ermittlern nach der Beendigung
der telefonischen Überwachung Amris von März bis September 2016 erstellt worden
war.
In
dem ersten Bericht stand, Amri habe nur Kleinsthandel mit Drogen betrieben.
Dieser Bericht umfasst nur vier Seiten, lag ausgedruckt vor und befand sich bei
den Akten zum Fall Amri. Auf der Basis dieses Berichts waren der Innenausschuss
des Berliner Senats sowie die Öffentlichkeit bis dato informiert worden. Die
Berliner Behörden hatten mit Hinweis auf diesen Bericht mehrfach beteuert, Amri
sei bei Überwachungsmaßnahmen im Sommer 2016 lediglich als „Kleindealer im
Zusammenhang mit dem Görlitzer Park“ aufgefallen.[190][191][192]
Sonderermittler
Jost fand im digitalen polizeilichen Informationssystem jedoch ein zweites, bis
dahin unbekanntes, 12-seitiges Dokument zu demselben Vorgang und mit gleichem Datum,
dessen Inhalt sich von dem bis dahin in der Öffentlichkeit bekannten kürzeren
Bericht erheblich unterschied.[189][193] Es handelte sich um den
ursprünglichen LKA-Abschlussbericht zur telefonischen Überwachung Amris. Dieser
Bericht lag nicht ausgedruckt vor und gelangte somit auch nicht in die
offizielle Papier-Ermittlungsakte.[194][189]
Aus
diesem ursprünglichen LKA-Bericht ergab sich ein völlig neues Bild. Danach hatten
die Ermittler im Laufe von Amris Telefonüberwachung festgestellt, dass sich
zwar keine Anschlagspläne nachweisen ließen, Amri aber gewerbs- und
bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln betrieben hatte. Die Ermittler
hatten darauf verzichtet, diese Informationen weiterzugeben und für Amri einen
Haftbefehl zu erwirken. Sie waren offensichtlich allein auf Amris Aktivitäten
im Bereich des islamistischen Terrorismus fixiert gewesen.[195][196] „Auf der Grundlage des
Straftatbestands gewerbsmäßiger, bandenmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln
wäre eine Verhaftung wohl möglich gewesen“ (Innensenator Geisel).[197]
Nach
dem Anschlag erkannten die Ermittlungsbeamten ihren fatalen Fehler. Sie
entschlossen sich, diesen zu vertuschen und einen neuen, manipulierten Bericht
zum Vorgang der Telefonüberwachung zu erstellen, um sich selbst zu entlasten:
In dem von einem Kriminaloberkommissar des Berliner LKA 544 am 17. Januar
2017 neu verfassten und auf den 1. November 2016 rückdatierten Bericht
hieß es nun verharmlosend, im Rahmen der Telefonüberwachung des Amri sei
aufgefallen, dass dieser „seit Mai 2016 möglicherweise Kleinsthandel mit
Betäubungsmitteln betrieben haben könnte“. Ein Antrag auf einen Haftbefehl wäre
damit aussichtslos gewesen.[198] In dem gegenüber dem
ursprünglichen Dokument deutlich „abgespeckten“ Bericht fehlte laut Jost auch
der Name eines Verdächtigen aus dem Drogenmilieu, und von ursprünglich 73
Protokollen abgehörter Telefonate waren nur noch sechs enthalten.[199][200][201]
Die
Berliner Landesregierung erstattete daraufhin Strafanzeige gegen
LKA-Mitarbeiter wegen Urkundenfälschung und Strafvereitelung im
Amt. Betroffen waren unter anderem zwei junge beim Berliner LKA 5
(Staatsschutz) eingesetzte Kommissare.[202][203][204]
Abschlussbericht des
Sonderermittlers
Im
Herbst 2017 fasste Jost das Ergebnis seiner Ermittlungen in einem
Abschlussbericht zusammen, den er am 12. Oktober 2017 gemeinsam mit
Innensenator Geisel der Öffentlichkeit vorstellte.[186] Darin kamen weitere Vorwürfe
gegen das LKA zur Sprache. So sei der am 17. Januar gefälschte Bericht
nicht die erste Manipulation der ermittelnden Beamten gewesen. Vielmehr habe
die Manipulation schon zwei Tage nach dem Anschlag ihren Anfang genommen, als die
Staatsschutzabteilung einen Bericht an die politische Führung des Amtes
verfasste. Die Verantwortlichen wollte Jost nicht nennen, da gegen den oder die
beschuldigten Beamten Strafverfahren laufen. Insgesamt warf Jost dem LKA und
der Berliner Generalstaatsanwaltschaft eine
mangelhafte Aufsicht vor.[205]
Der
Sonderermittler machte der Polizei in Berlin, aber auch in Baden-Württemberg
und in Nordrhein-Westfalen, noch weitere schwere Vorwürfe. „Da wurde alles
falsch gemacht, was man falsch machen kann“, sagte Jost. Amri hätte wegen
seiner Verwicklung in den Drogenhandel und der Verwendung gefälschter Ausweise
deutlich früher verhaftet und das Attentat damit möglicherweise verhindert
werden können. Insbesondere die Vernehmung in Friedrichshafen, wo Amri Ende Juli 2016
versucht hatte auszureisen, sei von den Behörden nicht genutzt worden, um den
Gefährder aus dem Verkehr zu ziehen. Der Berliner Innensenator Geisel forderte
bei der Vorstellung des Berichts einen Untersuchungsausschuss des Bundestages
zum Fall Amri.[186][205] Am 26. Februar 2018 wurde
der Berliner
Polizeipräsident Klaus Kandt von seinen Aufgaben
entbunden.[206]
Untersuchungsausschuss
des Bundestages
Am
18. Januar 2018 war mit Anträgen von CDU/CSU und SPD (gemeinsam)[207], FDP[208], DIE LINKE[209] und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN[210] die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses (gemäß Art. 44 GG) zur Aufarbeitung der Vorgänge um
den Anschlag auf dem Breitscheidplatz initiiert worden.[211]
Am
1. März 2018 wurde vom Deutschen Bundestag die Einsetzung des
Untersuchungsausschusses beschlossen.[212] Im Fokus des BT-U-Ausschusses
soll das jeweilige Vorgehen der Sicherheits-, Strafverfolgungs- und
Strafvollzugsbehörden, der Nachrichtendienste des Bundes und der Länder, sowie
die für den Vollzug des Asyl- und Aufenthaltsrechts zuständigen Behörden
stehen; die Frage, ob diese Behörden – unter Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten
– sachgerechte Maßnahmen vorgenommen, oder unterlassen haben. Dann, ob ein
zeit- und sachgerechter Informationsaustausch zwischen den einzelnen Behörden
stattgefunden hat (innerdeutsche, europäische, außereuropäische Ebene). Und
natürlich welche Schlussfolgerungen hinsichtlich Änderungen von Befugnissen,
Organisation, Arbeit und Kooperation der verschiedenen Behörden gezogen werden
müssen.[213][214][215][216][217]
Einzelnachweise
und Anmerkungen
7. ↑ Zwischen
Blut und Scherben. In: Der Spiegel, Nr. 52/2016, 23. Dezember
2016, S. 27–29 (hier: S. 29).
14. ↑ Landeskriminaldirektor
NRW-Innenministerium, Piratenfraktion NRW: Der Berlin-Attentäter Anis
Amri - Die Chronik. In: Die Welt, 14. Januar 2016, S. 5.
20. ↑ Zwischen
Blut und Scherben. In: Der Spiegel. Nr. 52,
2016, S. 27–29 (online – 23. Dezember 2016).
23. ↑ Hochspringen
nach:a b Funktionstyp Akteur.
In: Der Spiegel Nr. 1/2017 vom 30. Dezember 2016, S. 40–45.
51. ↑ Der
Spiegel (Print) Nr.27 (1. Juli 2017), S. 50–56: Ich bin ein Terrorist, haha!
(Gesamtdarstellung); hier: S.50
82. ↑ „Null
Toleranz“ für Hassprediger. In: Die Tageszeitung. 11.
Januar 2017, S. 3.
86. ↑ Schlag
gegen IS-Anwerber. In: Die Tageszeitung. 9. November 2016,
S. 2.
109.
↑ Bei
der so genannten „Siko“ (Sicherheitskonferenz) handelt es sich um ein Gremium,
in dem sich – unter Federführung des Ministeriums für Inneres und Kommunales
des Landes NRW – Vertreter der Sicherheitsbehörden des Landes und des BAMF in
Fällen staatsschutzrechtlicher Relevanz austauschen und die zuständigen
Ausländerbehörden im Hinblick auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen beraten und
unterstützen.
111.
↑ Das
Schweigebündnis. Der Spiegel, Nr. 3/2017, 14. Januar 2017, S. 24–26, hier:
S. 25 f.
126.
↑ Verwirrung um Festnahmen bei Anti-Terror-Einsatz in
Dortmund. In: dw.com.22. Dezember 2016, abgerufen
am 14. Januar 2017: „Nach Angaben des WDR soll Amri Kontakte zu dem
Dortmunder Salafisten Boban S. gehabt und teilweise dort gewohnt haben. Boban
S. wurde demnach im November als IS-Unterstützer verhaftet.“
135.
↑ Marokko warnte BND und BKA vor Amris Terrorplänen. (Nicht
mehr online verfügbar.) In: mdr.de. 24. Dezember 2016,
archiviert vom Original am 27. Dezember 2016; abgerufen
am 29. Dezember 2016. Info: Der
Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe
Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen
Hinweis.
Fonte: Wikipedia; link originale:
https://de.wikipedia.org/wiki/Anis_Amri