Oettinger-Aussagen empören Italiener
Der EU-Kommissar sagt in einem Interview, er hoffe, dass
der Einbruch auf den Finanzmärkten die italienischen Wähler davon abbringen
werde, Populisten zu wählen. Die Reaktionen auf seine Einmischung sind heftig.
Jetzt hat er sich entschuldigt.
EU-Kommissar Günther Oettinger hat mit einer
Wahlempfehlung gegen Populisten in Italien heftige Reaktionen ausgelöst.
Oettinger sagte am Dienstagin einem Interview der Deutschen Welle, er
hoffe, dass die negative Reaktion der Finanzmärkte die Italiener bei Neuwahlen
davon abbringe, Populisten zu wählen. Später entschuldigte sich Oettinger. Er
respektiere den Willen der linken, rechten oder gemäßigten Wähler in jedem
Land, schrieb er in einer Erklärung. "Ich wollte nicht respektlos sein und
ich entschuldige mich dafür."
Die Empörung auf Oettingers Aussagen folgte in Italien
prompt. Der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, schrieb auf Twitter:
"VERRÜCKT, in Brüssel kennt man keine Scham. Der EU-Haushaltskommissar,
der Deutsche Oettinger, sagt, dass die Märkte den Italienern zeigen werden, die
richtige Sache zu wählen. Wenn das mal keine Drohung ist ... Ich habe keine
Angst." Später fügte Salvini hinzu: "Wer mein Volk beleidigt, indem
er sagt, dass die Märkte die Italiener lehren werden, was sie wählen sollen,
muss sofort zurücktreten."
Auslöser der heftigen Reaktionen war ein Tweet des
Deutsche-Welle-Journalisten Bernd Thomas Riegert, der das Interview mit
Oettinger geführt hat. Riegert hatte einen Satz in direkter Rede Oettinger
zugeschrieben, den dieser aber in dem Gespräch so nicht getätig habe, wie
Riegert später erklärte. "The markets will teach the Italians to vote for
the right thing", hatte Riegert geschrieben. Später entschuldigte er sich
ebenfalls auf Twitter. Er habe die Aussage "falsch wiedergegeben",
der Satz sei als "schnelle Zusammenfassung" gedacht gewesen.
In my first Tweet on exclusive #Oettinger Interview I
misquoted the commissioner. That‘s why I deleted it. It was meant to be a rapid
reaction summary of the interview. I apologize for the confusion and the
mistake. Please, read the translated quotes (still plenty there). #Italy
Wörtlich hat Oettinger in dem Interview gesagt:
"Meine Sorge und meine Erwartung ist, dass die nächsten Wochen zeigen,
dass die Märkte, dass die Staatsanleihen, dass die wirtschaftliche Entwicklung
Italiens so einschneidend sein könnten, dass dies für die Wähler doch ein
mögliches Signal ist, nicht Populisten von links und rechts
zu wählen."
Und er hatte hinzugefügt: "Schon
jetzt ist die Entwicklung bei den Staatsanleihen, bei dem Marktwert der Banken,
beim wirtschaftlichen Verlauf Italiens generell deutlich eingetrübt, negativ.
Dies hat mit der möglichen Regierungsbildung zu tun. Ich kann nur hoffen, dass
dies im Wahlkampf eine Rolle spielt, im Sinne eines Signals, Populisten von
links und rechts nicht in die Regierungsverantwortung zu bringen." Diese
Formulierungen sind weicher als der von Riegert getwitterte Satz, doch auch an ihnen entzündet sich Kritik in Italien.
Juncker spricht von "unklugen Bemerkungen"
Angesichts der aufgeheizten Situation distanzierten sich
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratschef Donald Tusk von
Oettinger. Juncker sei über die "unklugen Bemerkungen informiert
worden", sagte ein Kommissionssprecher. "Die Italiener und nur die
Italiener werden über die Zukunft ihres Landes entscheiden und niemand
sonst." Tusk erklärte auf Twitter. "Mein Appell an alle
EU-Institutionen ist: Bitte respektiert die Wähler. Wir sind hier, um ihnen zu
dienen, nicht, um ihnen Vorgaben zu machen." Europa-Grünenchef Reinhard
Bütikofer forderte sogar die Entlassung Oettingers. "Mit seinen Äußerungen
gießt Oettinger Benzin in die lodernden Flammen des Populismus", erklärte
Bütikofer. "Er schadet damit der Europäischen Union."
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker müsse deshalb "die
Reißleine ziehen".
Die Kurse an der Mailänder Börse gaben um etwa drei Prozent nach
Angesichts der ungewissen Regierungsbildung in Italien
sind die Kurse an der Mailänder Börse am Dienstag erneut eingebrochen. Während
der von Staatspräsident Sergio Mattarella mit der Regierungsbildung beauftragte
Finanzfachmann Carlo Cottarelli noch an der Zusammenstellung seines Kabinetts
arbeitete, gaben die Kurse um etwa drei Prozent nach. Die Spanne zwischen
zehnjährigen deutschen und italienischen Staatsanleihen stieg deutlich an.
Der Präsident des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, warnte vor den Auswirkungen einer
italienischen Staatskrise auf die deutsche Wirtschaft. "Italien ist so
groß und bedeutsam, dass seine Krise zu Deutschlands Problem wird", sagte
Fratzscher dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Italien könne auch Deutschland
mit in den Sog einer tiefen Depression ziehen.
29 Mai 2018, 20:48
https://www.sueddeutsche.de/politik/regierungsbildung-in-italien-oettinger-aussagen-empoeren-italiener-1.3996356
Nessun commento:
Posta un commento